…ist eine Begrüßung der Maori.
Mann/Frau steht sich gegenüber, blickt sich in die Augen, umfasst mit der rechten den Unterarm des Gegenüber, umarmt mit der linken die Schulter oder den Rücken und berührt sich mit Stirn und Nasenspitze. Nach 3-4 tiefen Atemzügen blickt man sich erneut in die Augen und sagt Kia Ora.
Ich habe am 18. Januar einen HAKA-Workshop bei Fabian Strumpf https://haka-ha.de besucht. Dort habe ich diese Begrüßungszeremonie kennengelernt. Eineinhalb Stunden hat das ganze gedauert – also die Begrüßung – und war die bisher schönste „Begrüßungsrunde“ die ich in meinem Leben erfahren durfte. Du schaust wildfremden Menschen tief in die Augen, berührst sie mit Kopf und Nase und teilst mit ihnen den Atem in einer Art und Weise die ich bis dahin nicht kannte.
Danke schon allein dafür.
Ok. Bei der jetzigen Situation ist diese Art der Begrüßung nicht mehr angesagt, aber es kommen auch wieder andere Zeiten…
Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen
Es ist schon erstaunlich wohin der Wind der Veränderung einen treibt.
Vor rund 6 Jahren habe ich im Zuge des Baus meiner ersten Jurte begonnen mich mit dem Schicksal meiner Oma zu beschäftigen. Ich habe sie leider nie kennengelernt.
Ihr Leben und ihr Schicksal haben in mir eine unglaubliche Wut hochkochen lassen. Herzensgut, vermutlich etwas naiv und ungebildet, wurde sie um ein glückliches Leben betrogen. Zwei Weltkriege, entschädigungslose Enteignung, Vertreibung und viele weitere schlimme Dinge sind ihr widerfahren und dennoch hat diese kleine Frau es geschafft zwei Kinder überwiegend alleine groß zu ziehen. Wer soviel Leid ertragen kann ohne aufzugeben, kann nur eines sein:
STARK, SEHR STARK.
Das sah ich vor 6 Jahren noch etwas anders! Aufgewühlt ob all dieser Ungerechtigkeiten die ihr wiederfahren sind, habe ich begonnen eine Ahnentafel zu erstellen und mich tiefer mit ihrem Schicksal und dem meiner anderen Vorfahren zu beschäftigen.
Ich lese sehr viel Nachrichten. Gefühlt 99 % aller Nachrichten sind schlechte Dinge! Und all das Leid der vielen, vielen Menschen und Tiere überall auf der Welt gräbt sich irgendwo ins Unterbewußtsein und nagt an der Ohnmacht, das es (fast) keine Gerechtigkeit auf dieser Welt gibt. Auch die Wut findet ihren Platz.
Ich glaube das ich nicht alleine bin mit diesem Gefühl. Leider trifft dieser Zorn und diese Wut dann meist Menschen, die eigentlich nur geringe „Verfehlungen“ begangen haben: “ Dieser Idiot, kann der nicht mal sein Auto….“. Das ist nicht gut. Gar nicht gut.
Wie ihr wisst – wenn ihr meinen letzten Beitrag gelesen habt – habe ich auf dem Theaterfestival in Isny einen für mich fürcherlichen Workshop besucht. Ich sage extra „für mich fürchterlichen“ Workshop, weil der Workshop selbst war es nicht und schon gar nicht Maria, die Kursleiterin!
Jetzt im nachhinein war der Workshop sogar ein Segen. Und das verdanke ich einzig und allein Maria – und naja, natürlich mir selbst! Hätte ich den 3. Tag nicht besucht, würde ich heute nicht diesen Blog schreiben.
Aber Maria hat mir mit nur einem Wort 4 Buchstaben ins Hirn graviert. HAKA.
Es war für mich sofort klar: Das ist es! Das mach ich! So habe ich zunächst youtube konsuliert und hier und da etwas darüber gelesen – mir Gedanken über meinen ersten HAKA-Workshop gemacht und bin letztlich wieder da gelandet wo ich vor 6 Jahren begonnen habe. Bei meinen Ahnen!
Der Kreis schließt sich. Das ich dann den Workshop von Fabian besucht habe war eher eine zwangsläufige Folge der Dinge, da Fabian sicherlich einer der bekanntesten HAKA-Lehrer im deutschsprachigen Raum ist. Und so habe ich mich zu einem ersten Workshop angemeldet.
Ich bin der klassische Autodidakt und ich habe das Talent, das meine Hände das schaffen können was mein Hirn sich vorstellt. Meist muß ich nur etwas anschauen und kann es ohne weiteres nachbauen. Aber nie ist es eine eine 1:1 Kopie von dem was ich gesehen habe. So entstehen wundervolle Dinge, wie z.B. meine Jurten.
Bisher habe ich diesem Talent relativ wenig Hochachtung gezollt. Mein Kredo lautete eigentlich: „Wir kochen alle nur mit Wasser“, da diese „Gabe“ für mich eigentlich nix besonderes ist. Aber auch hier denke ich mittlerweile etwas anders darüber. Wir kochen zwar alle nur mit Wasser, aber manche können halt einfach nicht gut kochen! Dafür aber gut backen!
Und was hat das mit dem HAKA zu tun?
Nun, ich möchte mich hier nicht so weit aus dem Fenster lehnen da ich eigentlich erst Anfange zu lernen und noch wenig Erfahrung habe. Dennoch habe ich nach relativ kurzer Zeit gespürt, das es ein Ventil sein kann um meine Aggression „raus zu lassen“. Das ist es aber nicht allein. Es ist ein Weg um in meine nicht unerhebliche Kraft zu finden. Weniger aggressiv, als viel mehr machtvoll. Bisher habe ich diese Kraft am ehesten in meinem Zorn gespürt – mehr als Überdruck, wie in einem Dampfkochtopf…
Der Druck fällt irgendwann zwar wieder ab, doch der verkochte Inhalt bleibt im Topf. Ich bin sicher mit dem HAKA-Tanzen einen guten „Reiniger“ gefunden zu haben. Und witziger Weise ist Haka ja auch ein Reinigungsmittel 🙂
Aber auch das ist nicht alles. Haka ist auch eine Selbsterfahrung, Selbstwertschätzung, Selbstwasweißich…es ist so vielschichtig…
In den letzten Wochen habe ich den Kamate-HAKA geübt. Immer alleine und laut nur, wenn meine Frau im Yoga war. Doch dann kam meine Liebe des Lebens und war – um beim Bild zu bleiben – ein „kleiner Dampfkochtopf“ und bat mich mit ihr einen Haka zu tanzen. Erst dachte ich nee – aber im gleichen Moment – doch, muss nur erst schnell noch eine Rauchen…
Ich habe ihr kurz die Bewegungen gezeigt und der Text stand zufälliger Weise auf meiner Brust.
What?
Ja, denn sie hatte mir zu Weihnachten ein T-Shirt drucken lassen mit dem Text des Kamate-Haka, den ich aus dem Internet abgeschrieben und ausgedruckt hatte. Sachen gibts, da kann man sich nur wundern….
Um es kurz zu machen. Ich war in meiner Kraft! Oder mit den Worten meiner Frau: „Deine Kraft hat mich fast an die Wand gedrückt, du warst mächtig und auch ein wenig angsteinflößend und dennoch erotisch. So habe ich dich noch nie gesehen und ich habe mich sehr weiblich gefühlt…“.
Dananch habe ich erstmal 10 min. auf dem Sofa gelegen. Völlig erschöpft. Kondition habe ich leider noch keine…
Meine schöpferische Kraft und die damit verbundene Liebe floss schon immer in die Dinge die ich mit meinen Händen erschaffen konnte. Also habe ich in der Zwischenzeit meine „Gabe“ genutzt und einen Taiaha geschnitzt, obwohl meine Infos darüber ausschließlich auf youtube oder andere Webseiten beruhen. Einen echten Taiaha habe ich noch nie gesehen, geschweige denn in den Händen gehalten. Aber es war für mich glasklar das ich solch einen Speer schnitzen muß. Für mich und in Gedenken an alle meine Ahnen! Ohne Maschinen! Nur mit meinen Händen! ….naja, gute Stemmeisen hatte ich schon 🙂
Ich kann es nicht genau erklären bzw. habe noch zu wenig Ahnung, aber in einem Taiaha steckt die Kraft der Ahnen in etwa so, wie sie sich beim Haka-Tanzen hinter einem versammeln.
Noch ist mein Taiaha nicht ganz fertig. Es fehlen noch ein paar Schnitzereien. Aber der Schaft ist exakt gleichmäßig und es ist ein gutes Gefühl das geschliffene Holz zu umfassen, das Gewicht und die Balance zu spüren, einschließlich der Kraft die in ihm steckt. Die Kraft von mir und der meiner Millionen Vorfahren. Mit jedem Schlag des Holzhammers habe ich einen meiner Ahnen eingeladen dieses Stück Holz mit seiner/ihrer Seele zu berühren. Es waren tausende, viele viele tausende Seelen. Auch das Holz der Wildkirsche hatte dabei einen nicht unerheblichen Einfluss. Das Holz ist wunderschön aber schwierig, da die Fasern häufig die Richtung ändern bzw. sich drehen. Man beobachtet also jeden Span wie er sich abhebt bzw. bricht. Eine wirklich spirituelle Erfahrung, wie aus einem Stück Holz ein – für mich – heiliger Gegenstand geworden ist.
Die Arbeit war eine regelrechte Zeitreise. Ich fing mit meinem eigenen Leben an und betrachtete das Leben und die Jugend meiner Eltern, erinnerte mich der Geschichten über die Großeltern und fing an Epoche für Epoche der Menscheit zurück zugehen. Nicht das ich das irgendwie geplant hatte, es ergab sich einfach so.
Ich fragte mich so Sachen wie: Gab es Mörder unter meinen Ahnen? Warum haben sie jemanden umgebracht? Oder: Wurde einer meiner Ahnenmütter/-Väter als Hexe, Hexer verbrannt? Und wenn nicht, hat einer meiner Ahnen einen Scheiterhaufen brennen sehen und den Menschen schreien hören, der bei lebendigen Leib verbrannt wurde? Krasse Gedanken oder? Aber irgendwie waren/sind sie für mich wichtig. Den ich Glaube das meinen vielen, vielen Vorfahren in der Summe alles widerfahren ist was einem Menschen nur passieren kann…
Und so bin ich Schritt für Schritt soweit zurück gegangen bis ich mir die Frage stellte, wann der letzte meiner Ahnen einen Holzspeer mit den gleichen Gedanken – also in Gedenken an seine Ahnen – gefertigt hat. So wie meiner jetzt. Mit einer einfachen Holzspitze. Mit dem einzigen Unterschied, das er ihn wirklich zum Überleben gebraucht hat! Es muss tausende Jahre zurückliegen…und es gab mir ein gutes Gefühl eine Verbindung über einen solch langen Zeitraum zu einem Menschen herzustellen, dessen Erbe – und der aller anderen – ich in mir trage.
Jetzt, wo ich den Blog schreibe fällt mir auf, das ich mir ausschließlich Gedanken über das Leid meiner Vorfahren gemacht habe. Welche Freude, welches Glück sie erlebt haben könnten, kam mir während der Arbeit merkwürdiger Weise nicht in den Sinn. Vielleicht ist das meine nächste Aufgabe mich damit zu beschäftigen. Liebe, Licht, Freude… trotz der ganzen Coronakrise…oder vielleicht gerade deshalb!
Aber das Leid, das ich gespührt/gefühlt habe – das Leid, das irgendwie schon lange in mir rumorte, fand seinen Ausbruch beim Haka auf dem Männerseminar in Hellenthal.
Wir haben vereinbart keine Bilder oder Geschichten zu veröffentlichen. Ich möchte nur sagen, das Seminar war die tiefste Männer- und Selbsterfahrung die ich in meinen 55 Jahren erlebt habe. Und Männer: Danke für euer Haka! Danke, das ihr all das Leid das aus mir herausgebrochen ist, so kraftvoll aufgefangen habt. Danke, das ich wieder weinen kann. Danke Frank, das du meinen Krieger herausgefordert hast…
Und nicht zuletzt, Danke an Ralf, Christian und Fabian. Ihr wart tolle und wirklich verantwortungsbewußte Seminarleiter.
Te waka!
LG Jurtenkurt