…nannte sich eine Serie bzw. zu tiefst berührende und leidvolle Familiensaga Ende der ´70er Jahre über die Sklaverei in den USA. Dies ist jedoch nicht das Thema dieses Blogs.
Der Titel dieses Blogs Roots bezieht sich auf die Aufforderung meines HAKA-Lehrers und Maori-Elders Toroa Aperahama:
„Sucht nach euren Wurzeln!“
Nun, wie ich an der einen oder anderen Stelle dieser Website schon geschrieben habe, weiß ich eigentlich nichts über meine Ahnen. Ich kenne keinen meiner Großeltern – von meinen Urgroßeltern ganz zu schweigen – und die meisten Dinge – insbesondere mütterlicher Seits fielen dem Krieg zum Opfer.
Dennoch habe ich mich schon seit geraumer Zeit auf den Weg begeben und suche nach meinen Wurzeln. Für mich finde ich diese Wurzeln in dem ich Dinge herstelle. Meist in Handarbeit um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie schwierig oder manchmal auch einfach Gegenstände herzustellen sind, die meine Ahnen mit Sicherheit ebenfalls verwendet haben.
Das Schnitzpferd, das ich vor 2 Jahren für die Waldwerkstatt gebaut habe, hat meine Mutter sofort an ihre alte Heimat erinnert. „Sowas hatten wir auch zu Hause.“ Mein Großvater starb jedoch als meine Mutter gerade erst 2 Jahre alt war. Sie hat also keine Erinnerung an ihn und weiß manche Dinge nur aus Erzählungen meiner Oma. Aber da mein Großvater Zimmermann war, wurde mir und meiner Mama klar, das daß Schnitzpferd meinem Opa gehört haben mußte.
OK. Ich schweife ab, den es geht in diesem Blog nicht um das Schnitzpferd sondern eine andere Sache die mit Sicherheit auch von einem meiner Ahnen gebaut wurde…
Eine Trommel!
Ich glaube nicht das in den letzten 4,5 oder 6 Generationen meiner Ahnen einer eine Rahmentrommel gebaut hat. Das war vermutlich deutlich früher. Und so habe ich mich auf die Suche gemacht und zunächst wieder in YT gestöbert, da ich absolut keine Ahnung hatte wie man eine Trommel baut.
Im Internet und auf YT findet man eine ganze Reihe von Infos zum Trommelbau. Was die meinsten jedoch eint ist, das die Haut und der Rahmen gekauft wurden. Nur wenige zeigen den Trommelbau wie er vermutlich vor tausenden Jahren praktiziert wurde. Bei den First Nations der Nordamerikaner habe ich natürlich das ein oder andere gefunden. Bis auf ein Video hatten alle aber einen fertigen Rahmen. Wie man jedoch ohne moderes Werkzeug einen Trommelrahmen herstellt, darüber habe ich nichts (fast nichts) gefunden.
Also habe ich mich weiter eingeschaut und eingelesen. Da die Trommel im wesentlichen aus nur 2 Teilen besteht, sollte es nicht so schwer werden – dachte ich….
Und rückblickend war es auch nicht sehr schwer. Doch was man bei den meisten Dingen benötigt ist Erfahrung und genau das ist es was ich eigentlich suche. Erfahrungen die ich mit meinen Ahnen teilen kann. Das bringt mich ihnen auf irgendeine Art und Weise näher und ich vermute, alles oder vieles was ich während der Arbeit spüre, spürten auch sie.
Eine Trommel ist schon was spezielles. Ein Tier mußte sterben, damit ich mir eine Trommel bauen kann. Gut, für ein paar Lederschuhe mußte auch ein Tier sterben, mal ganz abgesehen von Fleisch und Wurst die wir einfach so in uns hinein stopfen. Aber diese Prozesse sind stark von unserem „normalen“ Leben abgespalten.
Somit war die erste Entscheidung die ich fällen mußte, welches Tier. Nach allem was ich mir so angelesen habe verwendet man je nach Trommel Rind, Pferd, Ziege oder Hirsch. Seltsamerweise alles Pflanzenfresser. Es mag sicherlich noch mehrere Tiere geben deren Haut sich für eine Trommel eignet. Jedoch habe ich nirgendwo gelesen das die Haut eines Schweines, eines Hundes oder Wolfes oder z.B. eines Löwen als Trommelfell verwendet wird.
Da ich meine Trommel für Zeremonien verwenden möchte und die Seele des Tieres bei jedem Trommelschlag mitschwingt, habe ich mich für ein Tier entschieden, das in seinem Leben maximale Freiheit genießen durfte. Einen Hirsch.
Somit bestand der erste praktische Schritt darin einen Jäger zu finden, von dem ich eine Rohhaut oder Decke, wie es die Waidmänner nennen, bekommen konnte.
Rehe gibt es hier relativ viele aber Hirsche sind nicht so häufig im Odenwald. Weiterhin gibt es auch nicht das ganze Jahr Häute, da die Jagdsaison für Hirsch lediglich von September bis Januar geht – wie ich vom Jäger gelernt habe. Es gibt jedoch eine kurze Jagdsaison im Mai und in dieser Saison habe ich meine erste Hirschdecke erhalten. Ein kleines, einjähriges Tier mit ca. 50 kg. Wenn ich richtig zugehört habe, nennen es die Jäger einen einjährigen Schmalspießer.
Voller Erfurcht habe ich die Hirschdecke abgeholt. Es roch nach frischem Fleisch und Blut und war überhaupt nicht eklig. In meiner Waldwerkstatt habe ich es dann über den großen Holzbock gelegt und angefangen Fleisch und Fettgewebe von der Haut abzuschaben. Gar nicht so einfach. Die Schmeißmücken sind um mich herum geflogen. Es waren wirklich viele Mücken, doch merkwürdiger Weise hat mich nicht einmal eine einzige berührt. Die Fleisch und Fettreste waren für sie wie ein Magnet. Ich war völlig uninterresant, obwohl ich sie durch meine Bewegungen ständig aufgescheucht habe. Und so habe ich geschabt und geschabt. Durch die ganze Schaberei dehnt sich die Haut nach und nach. Man sieht die Ein-/Austrittslöcher der Kugel, Verletzungen oder Messerschnitte, die beim Abziehen der Haut verursacht wurden.

Natürlich beschäftigt man (ich) sich mit dem Tod, wenn man das erste mal im Leben die ein wenig blutige Haut eines Tieres vor einem liegt. Aber was ich dabei gedacht und gespürt habe werde ich hier nicht ins Internet hinaus posaunen, zumal vermutlich jeder anders empfindet. Nicht das ich darüber nicht reden möchte, aber im Moment – im heute hier und jetzt – halte ich das Internet für keinen guten Platz für dieses Thema. Das mag sich noch ändern…
Jedenfalls habe ich relativ lange geschabt und wußte am Ende des Tages das dieses Tier nicht in meiner Trommel schwingen möchte. Vielleicht eine Rassel, aber keine Trommel…
Ich werde diesen Hirsch in Ehren halten, denn es ist und bleibt die erste Seele eines toten Tieres mit der ich mich wirklich intensiv beschäftigte, das ich jedoch zu Lebzeiten nie gesehen habe… Oh, ich fange an zu Schwurbeln – kein Wunder, bin ja ungeimpft – deshalb weiter im Text mit dem was ich „physisch“ gemacht habe.

Nach dem ich die Haut auf der Fleischseite gereingt hatte, kam Schritt zwei, das entfernen der Haare. Üblicherweise wurden früher die Haare durch einlegen in Pottasche entfernt. Gut. Als gelernter Chemielaborant sagt mir der Trivialname das es sich um Kaliumcarbonat handelt und aus Asche gewonnen wurde. Und das eine wässrige Lösung, je nach Konzentrati0n, eine relativ starke Kalilauge ergibt. Das wars aber schon was mir aus meinem Laborantenwissen adhok eingefallen ist.
Ich wollte ja Erfahrungen machen, die meine Ahnen ebenfalls gemacht haben. Und die haben das Kaliumcarbonat nicht pro analysi bei Merck bestellt.
Alles hat seine Zeit und deshalb hatte ich schon im Winter Buchenholzasche aufgehoben. Aus eineinhalb Eimern Asche und vielleicht 5 l Wasser habe ich eine Pampe angerührt und die Hirschhaut darin eingeweicht. Eingeweicht ist vielleicht das falsche Wort, ich habe sie eher in das Fell einmassiert und dann 4 oder 5 Tage stehen lassen.

Dann ging es zurück auf den Arbeitsbock und siehe da, die Haare liesen sich relativ einfach entfernen. An manchen Stellen konnte ich sie auch einfach zupfen, aber das Abschaben ging schneller.
Da klar war, das ich aus diesem Tier keine Trommel bauen werde, wollte ich die Haut zunächst aufspannen und trockenen. Somit wäre dann die Rohhaut fertig.
Getrocknet hält eine Rohhaut ewig, denn eigentlich ist es Pergament. Für Bücher hat man Kalb, Ziege und Schaf verwendet, aber vom Prinzip her ist es das gleiche. Trocken gelagert kann Pergament locker 1000 Jahre alt werden und es hält deutlich länger als Leder. Muss halt nur trocken bleiben…
Und so kam ich zum nächsten Arbeitsschritt und konnte endlich einmal mein Winnetou-Wissen einsetzen. Ich habe 4 Haselnussstangen (ja, 3s, achnee 4) als Quadrat zusammen gebunden, alle 10-15 cm ein Loch in die Haut gestochen (gar nicht so einfach) und mit einer ewig langen Schur auf meinen Rahmen gespannt.
Als ich damit fertig war wußte ich, das vermutlich keiner meiner Vorfahren einen solchen Blödsinn gemacht hat.

Warum? Viel zu umständlich! Außerdem vermute ich das eine 10-15 m dünne, reisfeste Schnur einfach zu wertvoll war um sie für eine solche Aufgabe zu verschwenden. Natürlich kann man auch mehrere kurze Schnüre nehmen, aber dann ist es noch mehr Akt, da mehr Knoterei.
Jedenfalls dauerte es relativ lange bis ich diese unförmige Haut – man weiß zunächst kaum wo oben und unten ist, denn es ist eigentlich nur ein großer Hautlappen – aufgespannt hatte. Die ganze länge der Schnurr durch jedes Loch fädeln, das zieht sich. Muss man nachspannen – und das muß man – fängt die Zuppelei wieder oben an und zuppelt sich bis zum Seilende durch. Niemals haben sie (meine Vorfahren) so gearbeit.
Dennoch die ersten Versuche mit der Haut meines kleinen Hirschleins war geglückt, wenn ich auch nicht zu 100% zufrieden war.
Der Trommelrahmen war eine ganz andere Sache. Im Gegensatz zum Tier für meine Trommel stand das Holz das ich dafür verwenden würde bereits fest. Birke. Nicht irgendeine Birke, sondern eine Birke die ich im Frühjahr fällen mußte, da sie zu nah am Haus, einfach zu groß geworden ist. Und diese Birke wuchs oberhalb des Grabes unseres geliebten Hundes. Ich denke es ist jedem klar was das für mich heißt, ohne das ich es umständlich in Worte fassen muß. Aus diesem Birkenholz würde ich den Trommelrahmen fertigen.
Wie schon geschrieben, fand ich nur wenig Informationen wie früher Trommelrahmen gefertigt wurden. Jedoch habe ich einen Vortrag gefunden, der sich mit Trommeln von Schamanen aus dem Himalaya beschäftigte. Der Vortrag selbst war oldschool und extra dry gehalten, aber das was der Referent erzählt hat war sehr spannend.
Ich kann jetzt natürlich nicht in ein oder zwei Sätzen einen 1,5 stündigen Vortrag wiedergeben. Aber es gab doch einige Stellen die mich sehr beeindruckt haben.
Plump zusammengefasst sucht ein Schamanennovize (ich nenne ihn jetzt mal so) vor oder während seiner Initiation zum Schamanen einen Baum aus, aus dem der Trommelrahmen gefertigt wird. Die Suche ist natürlich nicht wie wenn man einen Weihnachtbaum aussucht, sondern so archaisch, das ich nicht weiß wie ich es beschreiben soll. Jedenfalls – hat der angehende Schamane seinen Baum gefunden und gefällt, wird das Holz mit dem Blut des Tieres – ich sag mal „bestrichen“ – aus dem später das Trommelfell gemacht wird. In diesem Fall war es eine Ziege.
Das Holz wurde dann irgendwie zugeschnitten. Leider gab es nur ein paar vereinzelte Bilder im Vortrag. Dann wurde ein Loch gegraben, das im wesentlichen dem späteren Durchmesser der Trommel entsprach. In das Loch wurden an den Seiten mehrere Pflöcke eingeschlagen und in diesen Kreis aus Pflöcken wurde das Rahmenholz geklemmt. Die Schamenen hatten also vorher aus dem Holz eine Leiste hergestellt und irgendwie rund gebogen. Diese Arbeitsschritte hat man leider in diesem Vortrag nicht gesehen.
Das Rahmenholz klemmte jetzt also im Loch in dem Kreis aus Pflöcken. Dann wurde das Loch mit Erde zugeschüttet. Es wurde für drei Tage begraben. Das ist auch die Formulierung die der Referent verwendete. Diesen Vorgang, dieses Ritual betrachten die dortigen Schamanen als die erste Reise der Trommel in die Unterwelt. Nach drei Tagen wird das Holz wieder ausgegraben und weiterverarbeitet. Leider gab es auch hierzu wenig Erklärungen. Doch obwohl nur in einzelnen Bildern hat mich dieses Ritual sehr berührt.
Der Schamane behält seine Trommel sein ganzes Leben. Und stirbt der Schamane eines Tages, wird auch seine Trommel zerschlagen. Wenn ich so etwas sehe oder lese trifft es immer direkt mein Herz.
Ich fühle mich in keiner Weise schamanisch, noch könnte ich ohne nachzuschauen erklären was Schamanismus eigentlich ist. Und ich habe großes Misstrauen gegenüber Menschen aus unserem westlichen Kulturkreis die sich als Schamanen bezeichnen. Aber die Erfahrungen, die ich auf diese Weise mache – also dem selber Herstellen von für mich heiligen Gegenständen – dringen tief in mich und ich bilde mir ein auf diese Art eine Verbindung zu meinen Ahnen zu schaffen. Vielleicht ist es Humbug, doch die Gefühle die ich dabei empfinde sind reinen Herzens…
Und wie ich jetzt meine Trommel tatsächlich gebaut habe erzähle ich euch in meinem nächten Blog.
Euer
Jurtenkurt